Geht es euch eigentlich auch immer so, dass bei euren Eltern immer zu wenig Mehrfachsteckdosen im Hause sind, wenn ihr zu Besuch kommt? Mit passiert das ständig. Komisch.
Aber das nur am Rande. Weihnachten zu Hause ist toll. Bei uns war es die letzten Male sehr entspannt: Wir sind ein eingespieltes Team, was Baum schmücken, Baum bewundern, Essen machen, Essen essen, singen, bescheren, freuen und wieder essen angeht. Ich mag Rituale. Deshalb gehen wir auch jedes Jahr in den Mitternachtsgottesdienst.
Und darüber möchte ich mir jetzt gerne mal das Maul zerreißen. Au ja, au ja, au ja! Wir waren diesmal schon sehr früh da (kleine Dorfkirche, man will ja schließlich einen Sitzplatz, nicht wahr?). In der Bank vor mir sitzt ein Junge und spielt mit seinem neuen Gameboy DS. Ich hätte davon zu gerne ein Handyfoto gemacht. Aber sowas traue ich mich immer nicht.
Der Pfarrer, der in den letzten Jahren stets durch den Gottesdienst geführt hatte, kommt vorbei, bleibt versonnen vor dem Jungen stehen und schielt auf das Display. Geht weiter. Die Reihen füllen sich, der Junge kommt direkt vor mir zu sitzen. Er spielt FIFA 2007 oder so von EA Sports. Links neben ihm seine Schwester, rechts daneben die Mutter, gut gebräunt, randlose Brille, goldene Ohrringe, Ohrpiercing und Sonnenbrille in der Strähnchen-Frisur. Wozu braucht man eigentlich eine Sonnenbrille in der Heiligen Nacht? Falls einen die Klarheit des HERRN blitzdingst?
Wie auch immer. Neben der Frau nimmt besagter Pfarrer platz. Diesmal leitet eine junge Pfarrerin den Gottesdienst. Ach so: Tochter, Game Boy, Sonnenbrille und Pfarrer sind eine Familie. Was für ein Bild! Die Kirche hat nun ihren nominalen Füllgrad erreicht. Game Boy konfiguriert seine virtuelle Fußballmannschaft. Dazu gehören auch die Fangesänge, die man bei diesem Spiel wohl selbst einsingen kann. Er hält den Taschencomputer vor’s Gesicht: “Oleee, oleeoleeolee! We are the champions, o-leee!”
Dann tappt er mit dem zum DS gehörenden Stift die Trommelrythmen auf das Display. Irre, was die Spiele so hergeben. Erste Edikte zum Abschalten des Geräts werden von der rechten Seite her erlassen und verhallen.
Währenddessen entdeckt die Tochter ihre Freunde in den hinteren Reihen und beginnt eine Zeichensprachekonversation. Stolz hält sie den iPod nano im rosa Kunstledertäschchen hoch. Die Freunde wedeln ihrerseits mit Unterhaltungselektronik.
Der Gottesdienst beginnt. Der Junge, nun unterbeschäftigt, pendelt zwischen den Armen seiner Mutter und denen seiner Schwester hin und her. Der Pfarrer schmollt ein bisschen. Seiner Frau ist heiß. Sie fächelt sich mit dem Liedblatt Luft zu, bemerkt aber nach nur wenigen Dutzend Ewigkeiten schnell, dass ihr goldenes Armband mit dem Peace-Anhänger doch einen ziemlichen Lärm macht. Sie nimmt dann lieber die andere Hand, die mit dem Totenkopf-Ring.
Die Predigt beginnt. Spannende Frage: “Warum waren denn die Engel nicht bei der Krippe, sondern bei den Hirten?” Plötzlich ertönt mittendrin ein lauter Summer von der Empore her. Wahrscheinlich hat der Organist den falschen Knopf gedrückt. Die Pfarrersfrau lacht und sagt sehr deutlich hörbar: “So, jetze sind wa alle wieda wach, wa?” Da hatse recht. Der Pfarrer platzt fast vor Lachen.
Beim Schlussgebet, für das freundlich zum Aufstehen gebeten wird, streicht sie ich dann noch über den Bauch: “Boah, immer det viele Essen.” Amen, Segen, Amen, alles wälzt sich zum Ausgang. Game Boy zieht es vor, den Fast Track über die Lehnen der Bänke zu nehmen.
Alles in allem ein harmloser Gottesdienst, der zeigt, dass man bei solchen Veranstaltungen ruhig mehr man selbst sein sollte. Kirche heißt nicht still sitzen, sondern wohlfühlen. Ich schätze die Menschlichkeit des Protestantismus.
Endlich bin ich mal wieder froh, katholisch zu sein :D